Meilenstein für Videokommunikation

Wie die Pandemie digitale Bürgerdienste vorantreibt

Behördenspiegel

September 2021

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2021

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September 2021

(BS/Dr. Steffen Kahra*) Im Zuge der Digitalisierung ist eine Kernaufgabe von Behörden, neue Anwendungen konsequent mit einer hohen Nutzerzentrierung zu entwickeln. Durch die Pandemie wurden die digitalen Erwartungen noch einmal höhergeschraubt. Laut einer aktuellen Umfrage von Civey im Auftrag des Unternehmens ServiceNow erwarten neun von zehn Befragten umfassende digitale Bürgerservices. Wichtig seien vor allem nahtlose und einfache Prozesse. Auch für die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist es zentral, den Bürgerinnen und Bürgern einen niederschwelligen und sicheren Online-Zugang zu ihren Beratungsleistungen anzubieten. Mit “Mein Videotermin” hat die BA mit Unterstützung der Voigtmann GmbH eine datenschutzkonforme und hochskalierbare Videokommunikationslösung implementiert. Mit dieser zukunftsträchtigen Infrastruktur kann sie ihre Mission, “nah am Kunden zu sein”, auch in Pandemiezeiten erfüllen.

Die Bundesagentur für Arbeit ist Deutschlands größter Dienstleister am Arbeitsmarkt. Jeden Tag berät sie Menschen zu Themen rund um den Beruf und unterstützt Millionen von Bürgern mit finanziellen Leistungen wie Arbeitslosen- und Kindergeld. Täglich finden mehr als 14.000 Beratungsgespräche statt. Infolge der "Strategie 2025" und der damit einhergehenden Digitalisierung der Beratungsleistungen der BA sollte jeder einen einfachen Zugang zu den Mitarbeitern der BA haben, auch ohne lange An- und Abreise zu einer der Geschäftsstellen.

Das alles kann nur durch einen passenden technischen Ansatz erfolgen. Deshalb entschied sich die BA im Oktober 2019 für die Entwicklung eines neuen, datenschutzkonformen Videokommunikationstools zusammen mit der Voigtmann GmbH zunächst für den Bereich der Familienkasse. So sollten in einem ersten Schritt vor allem Eltern der Zugang zu Beratungsleistungen erleichtert werden.

Grafik Ergebnisse der Befragung zum EInsatz von Videokommunikation bei Behördenkontakten.
Grafik Ergebnisse der Befragung zum EInsatz von Videokommunikation bei Behördenkontakten.
Grafik Ergebnisse der Befragung zum EInsatz von Videokommunikation bei Behördenkontakten.

Eine Umfrage unter den Kundinnen und Kunden der BA ergab, dass 95 Prozent die Videotelefonie-Lösung weiterempfehlen würden.

Eine Umfrage unter den Kundinnen und Kunden der BA ergab, dass 95 Prozent die Videotelefonie-Lösung weiterempfehlen würden.

Eine Umfrage unter den Kundinnen und Kunden der BA ergab, dass 95 Prozent die Videotelefonie-Lösung weiterempfehlen würden.

Höchste Sicherheit

Wichtigste Anforderungskriterien an das neue Werkzeug zur Videokommunikation waren die sehr hohen Ansprüche an Sicherheit und Datenschutz. Denn ein IT-Produkt, das für den breiten Einsatz innerhalb der Bundesbehörde entworfen wird, arbeitet mit vielen personenbezogenen Daten, die angemessen und wirksam zu schützen sind. Ein niederschwelliger Zugang zum Angebot sowie die Teilnahme an Beratungsterminen mit nur drei Klicks waren weitere wichtige Voraussetzungen. Die Beratungsdienstleistungen sollten über jedes Endgerät und jede Plattform leicht zugänglich sein.

Um höchste Sicherheit zu gewährleisten und aufgrund der Zertifizierung für die vorhandene Videokonferenzplattform Skype for Business kam die norwegische Technologieplattform Pexip als Video-Gateway zum Einsatz. Die BA hat sich für eine lokale Implementierung von Pexip entschieden. Durch diesen Ansatz hat die Behörde stets volle Kontrolle über ihre Daten und kombiniert so bewährte Funktionalitäten mit höchstem europäischem Datenschutzstandards in ihrer etablierten IT-Landschaft.

Agile Entwicklung

Ein Projektteam des IT-Systemhaus der BA konzipierte zusammen mit der Voigtmann GmbH ab Oktober 2019 die neue Videokommunikation für den Bereich der Familienkasse. Das IT-Systemhaus ist der IT-Dienstleister der BA und hat sich den reibungslosen Ablauf aller IT-Aufgaben zum Ziel gesetzt. Die 2005 gegründete Voigtmann GmbH ist spezialisiert auf Software und Dienstleistungen im Bereich der skalierbaren und datenschutzkonformen Videokommunikation. Das Vorgehen der beiden zur Entwicklung eines DSGVO-konformen Werkzeugs erfolgte agil und iterativ.

Die inhaltliche Gestaltung des Themas übernahm ein kleines Kernteam des IT-Systemhauses. Einzelne Schritte wurden immer wieder Reviews unterzogen und kontinuierlich weiterentwickelt. Wichtig war, ein Produkt zu erarbeiten, das auf breiter Basis Akzeptanz findet – sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Kunden. Während der Implementierungsphase hat die Voigtmann GmbH relevante Teile der BA-Infrastruktur in einem eigenen Rechenzentrum nachgestellt. So ließen sich einzelne Prozessschritte durch Testteams vor der Implementierung prüfen und verifizieren.

Express-Digitalisierung in der Pandemie

Anfang 2020 stand die BA – wie alle Behörden – durch die Corona-Pandemie vor neuen Herausforderungen. Präsenztermine mussten abgesagt werden, gleichzeitig sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin Kundinnen und Kunden erreichen können. „Die Pandemie hat die Videokommunikation massiv beschleunigt und skaliert“, berichtet Lucas Albracht, Produktverantwortlicher von „Mein Videotermin“. „Durch diesen Turbo sind wir heute dort, wo wir sonst erst in etwa fünf Jahren wären.“ In eigens eingerichteten virtuellen Barcamps wurden Denkräume geschaffen, und die Investitionen in agile Arbeitsweisen zahlten sich aus.

Im März 2020 gab der Vorstand der BA grünes Licht für die Einführung der Videokommunikation in der Berufsberatung vor dem Erwerbsleben (BbvE) sowie in der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe. Durch die bereits vorhandenen Entwicklungen im Bereich der Familienkasse konnte das Projektteam der BA gemeinsam mit der Voigtmann GmbH ab Mai 2020 die Videokommunikation auf weitere Rechtsbereiche ausweiten. „Wir hatten bereits alles in der Schublade“, sagt Peter Voigtmann, Geschäftsführer der Voigtmann GmbH.

Innovativer Mantel für mehr Funktionen

Zeitgleich entwickelte die Voigtmann GmbH eine umfassende Mantelanwendung, die die bestehende Videokommunikationslösung um zahlreiche Funktionen erweiterte. Ein zentraler Aspekt war die End-to-End-Verschlüsselung, die sicherstellt, dass personenbezogene Daten zu keinem Zeitpunkt die Infrastruktur der BA verlassen. Die Anwendung bietet zudem individualisierte Korrespondenzen, Testanrufe und Feedbackfunktionen. Audio-, Video- und Chatfunktionen bilden alle Facetten eines Beratungstermins ab. Durch visuelle Eindrücke und Funktionen wie Bildschirmfreigabe wird die Beratung interaktiver und persönlicher als ein Telefongespräch.

Mit drei Klicks zum virtuellen Beratungstermin

Die Lösung ermöglicht den Kundinnen und Kunden der BA den Zugang zum virtuellen Beratungsgespräch mit nur drei Klicks: Zustimmung zur Videokommunikation, optionaler Gerätetest und Betreten des Beratungsraums. Dank der von der Voigtmann GmbH entwickelten Web-App auf Basis von WebRTC funktioniert der Videotermin unabhängig von Browser, Endgerät oder Betriebssystem – ohne sicherheitskritische Downloads. Auch bei geringer Bandbreite bleibt der Service nutzbar, da die Nutzerinnen und Nutzer zwischen hoher und niedriger Bildqualität wählen können.

Ergebnisse und Ausblick

Seit Oktober 2020 nutzen über 1.000 Standorte der Bundesagentur für Arbeit die Videokommunikation. So konnte die Kundenberatung auch während der Pandemie aufrechterhalten werden. Anstelle standardisierter Outlook-Einladungen versenden Mitarbeitende nun personalisierte Einladungen über „Mein Videotermin“ und können bei Bedarf zusätzliche Informationen einfügen. In bisherigen Befragungen empfehlen 95 Prozent der Kundinnen und Kunden die Videotelefonie-Lösung weiter. Bereits über drei Millionen Gesprächsminuten wurden geführt (Stand Juli 2021).

Die Integration von Business-Intelligence-Komponenten liefert wertvolle Daten und Impulse für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems sowie für die Ergänzung weiterer digitaler Bürgerservices.

*Dr. Steffen Kahra ist Senior Scientist HealthCare IT, Regulatory Affairs Manager und Quality Management der in Nürnberg ansässigen Voigtmann GmbH.